13.05.2021 Christi Himmelfahrt

13.05.2021 Christi Himmelfahrt



Predigt: Epheser 1:15-23 NLB

15 Seit ich das erste Mal von eurem festen Glauben an Jesus, den Herrn, und von eurer Liebe zu allen Gläubigen hörte, 16 habe ich nicht aufgehört, Gott für euch zu danken. Ich bete ständig für euch 17 und bitte den Gott unseres Herrn Jesus Christus, den Vater der Herrlichkeit, euch den Geist der Weisheit und Einsicht zu schenken, damit eure Erkenntnis von Gott immer größer wird. 18 Ich bete, dass eure Herzen hell erleuchtet werden, damit ihr die wunderbare Zukunft, zu der er euch berufen hat, begreift und erkennt, welch reiches und herrliches Erbe er den Gläubigen geschenkt hat. 19 Ich bete, dass ihr erkennen könnt, wie übermächtig groß seine Kraft ist, mit der er in uns, die wir an ihn glauben, wirkt. Es ist dieselbe gewaltige Kraft, 20 die auch Christus von den Toten auferweckt und ihm den Ehrenplatz an Gottes rechter Seite im Himmel gegeben hat. 21 Jetzt ist er als Herrscher eingesetzt über jede weltliche Regierung, Gewalt, Macht und jede Herrschaft und über alles andere, in dieser wie in der zukünftigen Welt. 22 Gott hat alles der Herrschaft von Christus unterstellt und hat Christus als Herrn über die Gemeinde eingesetzt. 23 Die Gemeinde aber ist sein Leib, und sie ist erfüllt von Christus, der alles ganz mit seiner Gegenwart erfüllt.

Liebe Mitchristinnen und Mitchristen,

als 1977 der damalige sowjetische Staatschef Leonid Breschnew in Deutschland zu Gast war, soll es zu einem bemerkenswerten Übersetzungsfehler im russischen Fernsehen gekommen sein. Der Staatsbesuch fand über Himmelfahrt statt. Mit diesem Feiertag konnte man in Russland offensichtlich nicht viel anfangen. So soll in der Nachrichtensendung vom „Tag der Luftwaffe“ die Rede gewesen sein. Ja, Jesus Christus hat die Lufthoheit und seine Waffen sind ganz andere als die, die dem Militär vertraut sind: Liebe, Barmherzigkeit, Gnade.

Doch was bedeutet Christi Himmelfahrt wirklich? Stellen wir uns vor, wir gehen in München durch die Fußgängerzone und machen eine Umfrage. Vermutlich würden viele Menschen uns keine korrekte Antwort geben können. Und auch unter Christinnen  und Christen ist das oft gar nicht mehr so bewusst, was wir an diesem Tag eigentlich feiern.

In manchen katholischen Kirchen gibt es das Loch in der Decke. Und an Christi Himmelfahrt wird sehr anschaulich eine Christusfigur an einer Schnur nach oben gezogen, bis sie in der Decke des Kirchenschiffs verschwindet. Jesus steigt wie eine Rakete in die Luft. Kann das so sein? Ist das die einzige Botschaft, die hinter diesem Feiertag steht? Was hat das dann für eine Bedeutung?

Lassen wir die Szene doch noch einmal genauer auf uns wirken. Der Auferstandene hatte seine Freunde auf einer Anhöhe versammelt. Dort waren sie herausgenommen aus den Niederungen des Alltags. Sie waren offen für die Worte, die der Auferstandene an sie richten wollte. Es waren Worte seines Vermächtnisses, Worte, die den Jüngern aufzeigen sollten, worauf sie jetzt bauen können. Und dann wurde der Auferstandene enthoben. Er verschwand vor den Augen seiner Freunde und fuhr zum Himmel. Die Worte Himmel und Heimat hängen eng zusammen. Der Auferstandene ging heim, heim zum Vater. Und dort nahm er einen besonderen Platz ein. „Jesus Christus herrscht als König“, singen wir an Himmelfahrt. Ja, nun ist er der Herrscher der ganzen Welt. Aber er thront nicht einfach nur weit weg, fern von uns Menschen. Himmelfahrt bedeutet zugleich: Der Auferstandene ist nun Raum und Zeit enthoben. Er ist nicht mehr an diese beiden Faktoren gebunden. Er ist nicht mehr nur an einem einzigen Ort gegenwärtig. Nun ist er immer und überall als der Herr der ganzen Welt erfahrbar.

Das ist die Botschaft dieses Tages. Das ist die Botschaft des christlichen Glaubens. Glauben wir das? Coronazeiten sind sowieso außergewöhnliche Zeiten. Aber auch ohne Corona wären an diesem Tag die Kirchen meist nicht sehr gefüllt. Mancherorts vereinen sich mehrere Gemeinden und feiern miteinander einen Gottesdienst, irgendwo im Freien. Und so wir das nachempfunden, was auch der Auferstandene mit seinen Freunden gemacht hat: Gottesdienst im Freien.

Und dennoch begehen die meisten Zeitgenossen den Vatertag. Und damit meinen sie nicht den himmlischen Vater.

Ist an diesem Tag der Glaube noch lebendig? Ist er noch mitten unter uns spürbar? Oder wird dieser Feiertag eher abgehakt? Was würde Paulus heute an uns schreiben? Würde er uns auch so loben wie die Christinnen und Christen in Ephesus seinerzeit? Ganz offensichtlich hat Paulus allen Grund, die Gemeindeglieder wegen ihres Glaubens zu loben. Ganz offenbar steht hier eine lebendige Gemeinde mit einem tiefgehenden Glauben vor seinen Augen. Können wir da heute mithalten?

Vermutlich müssen wir bekennen, dass es in unserer Zeit unter den Christen nicht begeistert genug zugeht wie damals in Ephesus. Vermutlich könnte Paulus heute nicht so erfreut und begeistert an uns schreiben. Und doch sehe ich da etwas, das unabhängig vom Glauben der einzelnen ist. Paulus betet. Und das wird immer wieder unterstrichen. Paulus betet für die Christinnen und Christen damals. Sie liegen ihm am Herzen. Er freut sich nicht nur über ihren Glauben. Er gibt sich nicht einfach damit zufrieden. Er sehnt sich sogar nach mehr. Er sehnt sich nach einer lebendigen Christenheit.

Doch wie ist das heute? Wer betet für unsere Gemeinden? Wer betet für eine begeisterte Christenheit in unserer Zeit? Ist das die Aufgabe einer herausragenden Person? Damals war es Paulus, heute sind es vielleicht die Pfarrer? Nein, liebe Mitchristinnen und Mitchristen! Dazu sind wir alle aufgerufen. Wenn es lebendigen Glauben geben soll, wenn das Leben in den Gemeinden erfrischend sein soll, dann steht als erstes das Gebet an. Denn eine betende Gemeinde sucht die Beziehung zu Gott und untereinander. Und dieses enge Beziehungsgeflecht veranschaulicht Paulus mit dem Bild eines menschlichen Körpers. Der Auferstandene ist das Haupt, der Leib, das sind wir, die Gemeinde. Und somit stehen wir fest in Beziehung. Doch das muss auch gelebt werden. Und das kann auch gelebt werden. Und das lohnt sich auch, gelebt zu werden. Denn dahinter steht Power. Es ist die Kraft der Auferstehung. Es ist die Kraft, die die Mauer des Todes durchbrochen hat. Es ist die Kraft, die neues Leben hervorbringt. Es ist die Kraft, die Wachstum bewirkt. Und mit diesem Wachstum geht es Paulus nicht nur um das äußerliche Wachstum, dass immer mehr zur Gemeinde des Auferstandenen hinzufinden, dass sich die Gottesdienste füllen und die Zahl der Gemeindeglieder wächst. Paulus geht es hier ganz entscheidend um das innere Wachstum, dass der Glaube, die Begeisterung, das Vertrauen gestärkt werden. Paulus möchte die Gemeinde in Ephesus damals und auch uns heute aufrütteln, dass wir nicht bei unserem aktuellen Stand stehen bleiben, dass wir nicht sagen: „Das reicht mir schon.“ Er möchte in uns die tiefe Sehnsucht wecken, im Glauben zu wachsen, Jesus nachzufolgen und im Handeln und Wirken ihm immer ähnlicher zu werden. So werden wir zu seinen Erben. Am Himmelfahrtstag gibt er seinen Freunden sein Vermächtnis mit. Er gibt ihnen den Auftrag, seine Botschaft hinauszutragen und zu bezeugen. Und er sagt ihnen zu, dass sie nicht allein sein werden. Denn er wird alle Zeit mit ihnen und unter ihnen sein und bleiben. Er wird mit und unter uns sein. Wir sind nicht allein in dieser Welt. Wir stehen auf der Seite des Königs, des Herrschers der Welt. Bei ihm ist die Kraft, die alle Mauern sprengt. Bei ihm ist das Leben, das sich lohnt.

Der Auferstandene herrscht und ist doch zugleich mitten unter uns. Er hat die Power, die zählt. Glaubst Du das? Kann Paulus sich auch über unseren Glauben freuen? Wollen wir im Glauben wachsen? Wollen wir konkrete Schritte gehen, Schritte des Glaubens, Schritte der Liebe, so dass die Menschen um uns spüren: Ja, Christsein ist nicht etwas ewig Gestriges. Da ist die Kraftquelle des Lebens!

Beten wir wie Paulus darum, dass auch in unserer Zeit Menschen ganz neu spüren: Gott ist gegenwärtig. Er ist mitten unter uns. Lasst uns ihn anbeten! Schließen wir uns an die Quelle des Lebens an, die sogar den Tod besiegt. Verbunden mit dem Auferstandenen können wir das Loblied anstimmen. Mitten in dem Trubel dieser Zeit können wir aufblicken. Denn unser Herr ist König. Er herrscht. Er hat gesiegt. Er möchte unsere Herzen hell erleuchten, unserem Leben Zuversicht schenken.

Ihr Pfarrer Carsten Klingenberg